Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich darf Euch immer noch so nennen. Denn viele, viele Jahre bin ich einer von Euch gewesen: Journalist.
Wenn ich mir die Berichterstattung ansehe über die Abwahl des Bürgermeisters in Hildburghausen frage ich mich allerdings, ob wir einmal den gleichen Beruf erlernt und ausgeübt haben.
Der Satiriker Karl Kraus sagte einmal: „Journalismus ist das, was der eine vom anderen abschreibt.“ Und so verbreiten viele von Euch bundesweit faktische Unwahrheiten.
Das Abwahlverfahren wurde eben nicht „von Neonazis, AFD und SPD“ eingeleitet. Sondern von allen im Stadtrat vertretenen Stadträten – mit der einzigen Ausnahme der Fraktion des Bürgermeisters.
Vor allem wurde Tilo Kummer auch nicht „von Neonazis, AFD und SPD“ abgewählt. Sondern von fast 3000 Bürgerinnen und Bürgern in einer demokratischen Wahl.
Ihr bedient stattdessen die üblichen Klischees über den bösen, braunen Osten und folgt damit einem Thüringer Innenminister außer Rand und Band.
Erkennt Ihr denn nicht auch anhand der nackten Zahlen, dass der Wunsch nach einem neuen Anfang von einer deutlichen Mehrheit der Menschen hier getragen wird? Ihr stellt es dar wie einen Putsch. Bei einigen Texten meint man, die SA habe Hildburghausen erobert.
In Wirklichkeit ist etwas ganz anderes passiert: etwas urdemokratisches, nämlich.
Wie wäre es deshalb mit dieser Überschrift:
„Hildburghausen kann Demokratie!“
Denn hier hat eine demokratische Selbstermächtigung der Bürgerschaft stattgefunden. Und letztlich auch etwas sehr Normales: eine saubere, demokratische Wahl nämlich, wie sie in unserer Kommunalordnung exakt so als Möglichkeit vorgesehen ist.
Vielleicht gelingt es Euch, ein bisschen Nachdenklichkeit zu entwickeln, ob die bisherige Art Eurer Berichterstattung fair und sachlich korrekt ist – und ob sie den Regeln entspricht, denen man sich als Journalistin und Journalist verpflichtet fühlen sollte.
Herzlich,


